Es lesen:
dadasophin /
Sylvia Egger (Köln),
Ralf B. Korte (Berlin) und
Elisabeth Hödl (Graz)
Moderation:
Max Höfler und
Helmut Schranz
Tief in den Archiven liegen Bücherperlen, die das Licht der literarischen Öffentlichkeit nie recht erblickt haben: Texte, die durch ihre verspielte Sperrigkeit keinen Platz im literarischen Durchreichbetrieb finden. Damit solche Texte abseits des Mainstreams weder verstauben noch vergessen werden, werden zwei davon an diesem Abend vorgestellt: «Still dialing Alice» von
dadasophin (Sylvia Egger) und «FM dj [reading reise durch die nacht]. Ein elektronischer Briefroman.» von
Ralf B. Korte und
Elisabeth Hödl.
dadasophin (Sylvia Egger): «Still dialing Alice» (Ritter Verlag, 2009)
In «Still dialing Alice» trifft Dada auf Foucault und geht mit ihm im Archiv spazieren, treibt Schabernack und entsprechende Dada-Wissenschaft: die dadasophische Archeologie. Diese stellt den Archivar als Steuermann direkt in den Text und beobachtet ihn in seiner Welt der machtvollen Steuerzeichen. Nicht nur er blickt in die archivarische Schachtel wie der potentielle Käufer in den Musterkoffer, auch der Leser. Schließlich ist das dadasophische Archiv nicht nur ein ausgeklügeltes Faltensystem, bei näherem Hinsehen und im Regalfall auch Sargdeckel.
Textausschnitt gefällig?
«über kurz kurz lang. I WOULD REFER NOT TO. CU CANDIDE! DU BIST IN DEN RESTEN ALLER MÖGLICHEN TEXTE. was SIE weg nehmen nennen. ist ködern. unter den bedingungen eines steigenden TEXT_STANDARDS erscheint die nichtübereinstimmung mit dem literarischen system als solchem sinnlos. eine TEXT_BOMBE hat dich getroffen. erfahrungsgemäß endet dein fall auf. SIE FELDSTECHER! immer schön das auge offen halten! streichholzkoma wie!»
Ralf B. Korte / Elisabeth Hödl: «FM dj [reading reise durch die nacht]. Ein elektronischer Briefroman.» (AISTHESIS argonauten presse, 2004)
Friederike Mayröckers Reise durch die Nacht reportiert nicht allein eine Zugfahrt zwischen Wien & Paris, der Text stellt auch eine Relektüre von Derridas la carte postale zur Verfügung, die die spezifischen Schreibarbeitsbedingungen der Autorin sichtbar macht. Der Versuch, dieses für zeitgenössische Literatur archetypische Spannungsverhältnis zu rekonstruieren, mündet nicht zufällig in eine literarische Form, die den fragmentarischen Charakter jeden modernen Blicks auf die Zustände der Schrift allenfalls zu dokumentieren vermag: im Austausch von e-mails konstituiert sich eine Leseerfahrung, die en passant 2 Friederike Mayröcker (fm) & Jacques Derrida (jd-dj) im besten Sinn aufhebende Schreibweisen zu generieren beginnt.
Eine kleine Leseprobe:
«operating instructions / listening to the radio: 1 set the selector switch to RADIO. 2 select a band, select AM or FM. 3 tune in to a station. 4 adjust the volume.

13.02.2001 – 05.21h – r:e – ablauf der dinge
zurück jetzt. oder eben noch im abteil etwas gesehen, indessen der rückblick auf das andere land beim Tränenvergieszen : da war das keine gute Zeit und nun also fort und überhaupt zurück auf der kurzstrecke tür zu tür. oder gesehen die kalthängenden Wiesengründe : mit getrübtem Auge : undsoweiter. Wir beginnt das wird erschöpft 9 1/2 zeilen später im lieben und nicht sprechen können der anderen sprache : ein Gespenst : aber sonstwie.»
Dadasophin aka Sylvia Egger
lebt und arbeitet in Köln als Senior Frontend Developerin. Zuletzt: Still Dialing Alice, Ritter Verlag (2009)
http://dadasophin.de
Ralf B. Korte
*1963 in Ulm/Do. Redaktion perspektive - hefte für zeitgenössische literatur (Graz-Berlin).
Elisabeth Hödl
*1970 in Leibnitz. techno-philosophische Kolumne nachrichten aus der noosphäre in perspektive; Minna-Kautsky-Literaturpreis.
Letzte gemeinsame Publikation: Galatea. Kriminalroman. Leykam 2011
Eine Kooperation mit
perspektive wortlaut